Nachdem ich ein bissel weiter gespielt habe, hier mal ein paar Kommentare zum Spiel:
Grafik:Ist wirklich nicht weltbewegend. Gerade die Bodentexturen sehen streckenweise sehr verwaschen aus. Ansonsten hätte die Grafik insgesamt detaillierter sein können. Die Spezialeffekte (z.B. Explosionen) sind hingegen sehr ansehnlich. Dank Rag-Doll werden die digitalen Krieger realistisch durch die Gegend geschleudert, ohne dass es übertrieben aussieht. Die Charaktermodelle sehen ganz gut aus, sowohl von den Amis als auch von den Deutschen. Animationen sind auch gut gelungen.
Ansonsten gibts noch ein paar nette Effekte wie Bloom oder Matsch- und Blutspritzer auf der "Kamera".
Insgesamt gibts dafür ein
Gut.
Sound:Hier gibts wirklich nichts auszusetzen. Die Schüsse von Pistolen und Gewehren knallen angenehm, das bedrohliche Knattern von MGs wird euch das Fürchten lehren und die Explosionen bringen die Wände zum Wackeln. Schritt- und Laufgeräusche klingen sehr authentisch und man hört förmlich, wieviel Ausrüstung der Soldat da gerade mitschleppt. Die englische Sprachausgabe ist gelungen und die Kameraden kommentieren ständig das Geschehen, rufen sich gegenseitig irgendwas zu, warnen vor Gegnern, schreien um Hilfe und und und.... auch die Deutschen Widersacher geben Wortlaut, brüllen sich gegenseitig Befehle zu oder schreien sich Sachen wie "Die schlachten uns ab!" zu. Derartige Kommentare wiederholen sich allerdings ab und zu - ein bisschen mehr Variation hätte da gut getan.
Hintergrundmusik gibt es grundsätzlich keine, was die authentische Kriegsatmosphäre ingame unterstreicht. Nur die rührsehlige, kitschige Titelmelodie im Hauptmenü ist zu hören, die stark an "Der Soldat James Ryan" oder "Medal of Honor" erinnert.
Die erstklassige Soundkulisse macht diese kleinen Mankos aber wett. So gibts insgesamt ein
Sehr Gut von mir für den Sound.
Story:Hier wird's bei Brothers in Arms etwas interessanter als bei der Konkurrenz. Ihr spielt Matt Baker, den Squad Leader eures kleinen Teams, der seine Jungs durch die Hölle der Normandie '44 kommandieren muss. Dabei lernt ihr alle Mitglieder des Squads beim Namen kennen und erfahrt recht viel über deren Vorlieben und Eigenheiten. Entsprechend stark ist dann auch die Beziehung zu diesen Charakteren im Gegensatz zu Medal of Honor oder Call of Duty, wo die NPCs allesamt namenlose Fremde bleiben, die hald am Wegesrand mal kurz auftauchen und kurz darauf wieder zerlegt werden. Leider wird bei den Charakteren auch oft die Klischeekiste bedient und dumme Sprüche gerissen, so dass man als Spieler schon manchmal mit den Augen rollen muss. Gerade auch der Protagonist Baker selbst nervt mit seinen selbstmitleid-verseuchten Monologen schon nach kurzer Zeit, wenn er seine melodramatischen Texte runterleiert. Der Junge hätte Philosoph und nicht Soldat werden sollen...
Abgesehen von diesen Schwächen ist die Story und deren Charaktere problemlos allen Konkurrenz-WW2-Shootern überlegen. Einzig an Vietcong reicht es nicht heran, dass ein wesentlich realistischeres und weniger verklärtes Bild vom Krieg und den Soldaten zeichnen konnte.
Insgesamt gibt's also ein
Gut.
Gameplay - Singleplayer:Die Kampagne umfasst 18 Missionen. Ich bin jetzt gerade in der 10ten angekommen, nach etwa ... hmmm ... 5-6 Stunden Spielzeit. Erwartungsgemäß dürfte die ganze Kampagne circa 10 Stunden dauern - leider Standard im Genre.
Lässt man das Team erstmal außen vor, spielt sich Brothers in Arms wie ein gewöhnlicher WW2-Shooter. Ihr rennt durch halb-zerstörte französiche Dörfer und Landschaften und knipst die Deutschen Besatzer aus. Dafür gibts das übliche Waffenarsenal von M1 Garand über die Tommy Gun bis hin zum Browning Assault Rifle (BAR). Die Areale sind dabei offener gestaltet als bei der Konkurrenz, so dass es fast immer Alternativ-Wege durch Hinterhöfe, enge Gassen oder Löcher in zerstörtem Mauerwerk gibt. Das macht das Spiel spürbar interessanter und regt zum Nochmalspielen an, um vielleicht einen besseren Weg an irgendeiner Problemstelle vorbei zu finden. Als Spieler fühlt man sich nicht mehr so wie auf Schienen, wie das bei anderen Titeln der Fall ist. (-> CoD z.B.)
So weit so gut. Wo Brothers in Arms wirklich auftrumpft, ist dann der Team-Faktor. Spätestens wenn ihr dann eure beiden Teams endlich zur Verfügung habt, ist ständiges Taktieren während der Kämpfe gefragt. Ein Team gibt Feuerschutz und mit dem anderen um die Flanke, ist wohl die beliebteste und logischerweise effektivste Taktik. Dabei muss man stets die Landschaft im Auge behalten und einschätzen können, welche Deckung und welche Laufwege am geeignetsten sind. Da die Deutschen sich gerne auch bewegen, wenn sie befürchten, ausmanövriert zu werden, muss sowas schnell gehen, um den Überraschungsmoment ausnutzen zu können. Das alles zusammen mit dem üblichen WW2-Shooter-Feeling erzeugt echte Hektik und Atmosphäre, die den Spieler ordentlich unter Druck setzt, neue Entscheidungen treffen zu müssen. Die Rambo-Methode funktioniert nämlich gar nicht ... innerhalb weniger Sekunden wird man da vom nächsten MG oder ein paar verschanzten Deutschen zu Schaschlik verarbeitet.
Das ganze Team-Vorgehen hat außerdem den netten Vorteil, dass man ausnahmsweise mal nicht eine ganze Nazi-Division im Alleingang killt wie bei anderen WW2-Shootern, sondern ständig seine kleine, schlagkräftige Truppe bei sich hat. Das lässt die Sache dann doch weitaus glaubwürdiger wirken.
Insgesamt gibts hier ein
Sehr Gut von mir.
KI:Die KI reagiert überraschend gut. Deutsche Soldaten stehen nicht wie festgewachsen an Ihrer Stellung rum, sondern versuchen stets, in Deckung zu bleiben. Da hechten die dann auch schon mal über die nächste Mauer, wenn man ihnen in die Flanke fällt. Auch nett: wenn der Gegner nicht durch Sperrfeuer festgenagelt ist, verschiebt er gerne seine Stellung parallel zu der des Spielers, um zu verhindern, dass dieser in die Flanke kommt. Trotzdem kann man sich mit korrektem Einsatz seiner Teams oft in die Flanke der KI schmuggeln, in Ruhe zielen und abdrücken. Schön: KI-Soldaten reagieren sofort darauf, wenn der Kamerad neben ihnen fällt und eröffnen das Feuer. Meistens auch kombiniert mit sofortigem Stellungswechsel, da sie ungern in der Schusslinie des Spielers bleiben wollen. Selbst mit Granaten sind die Bastarde nicht leicht auszuschalten, da die CPU-Kollegen natürlich Abstand davon halten werden oder das Ding kurzerhand zurückpfeffern... meist wird die Granate aber einfach nur aus der Stellung irgendwohin rausgeworfen - selten hat mich meine eigene Granate erwischt.
Ähnlich verhalten sich natürlich auch die eigenen Leute. In Deckung gehen, schießen, angreifen, Granaten werfen - alles klappt meist problemlos und clever. Einzige Kritikpunkte: Die Wegfindung ist manchmal nur "suboptimal" - der eigene Trupp rennt schonmal todesmutig durchs Kreuzfeuer anstatt die Mauer daneben als Deckung zu nutzen. Außerdem scheint die KI selten Probleme zu haben, die richtige Deckung zu finden. Kam schon ein-, zweimal vor, dass die Kollegen sich kurrzeitig auf die falsche Seite der Mauer gestellt haben und damit im Feindfeuer standen. Schade: stationäre MG-Stellungen können nur vom Spieler selbst, nicht aber den KI-Kollegen besetzt werden.
Insgesamt kann die KI aber wirklich auf voller Linie überzeugen und übertrumpft alles, was ich bei CoD oder MoH gesehen habe, wo sowieso alles viel engstirniger geskriptet ist. Gibt also ein
Sehr Gut von mir.
Gameplay - Multiplayer:Muss ich zugeben, hab ich noch nicht probiert. Hier das, was ich weiß:
Auf den zahlreichen Multiplayer-Karten hat stets eine Seite ein bestimmtes Missionsziel zu erfüllen, was die andere Seite dann meist verhindern soll. Gespielt wird nur mit maximal 2 oder 4 Spielern! Anders als in anderen Ego-Shootern übernehmen die Spieler nämlich hier die Kontrolle über ganze Teams, ganz wie im Singleplayer. Wird der Spieler getötet, kann man flux in die Rolle des nächsten NPC-Kollegen schlüpfen. Ist das ganze Team futsch, kann man Verstärkung anfordern, die allerdings nur begrenzt verfügbar ist.
Ich muss zugeben, das Konzept ist sehr ungewöhnlich und interessant zugleich. Gerade für kleinere Mini-LANs im Freundeskreis perfekt geeignet, wo man normalerweise Probleme hätte, die nötigen 16-64 Spieler aufzutreiben für eine Runde CoD oder Battlefield. Werde das definitiv mal ausprobieren (Guardian? Lust?
)... danach kann ich dann auch beurteilen, ob das Spaß macht.
Das sich das Spiel damit in der eSports-Gemeinde durchsetzen wird, wage ich allerdings zu bezweifeln - welcher Pro-Gamer legt seinen Erfolg schon in die Hände von KI-gesteuerten Bots?
Fazit:Ist Brothers in Arms also schon wieder einer von Dutzenden WW2-Shootern, wie wir sie schon in- und auswendig kennen? Nein, keineswegs. Der neuartige Team-Aspekt gepaart mit der hervorragenden KI und den flexibler und weniger linear gestalteten Levels erzeugt eine wesentlich intensivere Spielerfahrung als so manch anderer Kriegsshooter. Durch die elegant gelöste Steuerung ist die Kontrolle über die Teams problemlos selbst in hektischsten Gefechten noch möglich. Am besten lässt sich das Spiel wohl als Kombination des Team- und Taktikelements aus Full Spectrum Warrior mit den Shooter-Elementen von Call of Duty oder Medal of Honor beschreiben. In der Tat ist Brothers in Arms quasi das "Full Spectrum Warrior zum selber mitmachen", so viele Parallelen gibt es zwischen den Titeln.
Selbst beim Multiplayer-Modus hat Gearbox nicht auf gängige Standards gesetzt, sondern sich selbst etwas Neues einfallen lassen. Ob sich dieses Konzept am Ende durchsetzen kann, werden wir erst sehen müssen.
Ein paar Mankos trüben den Spielspaß jedoch: die allzu klischeebeladene Story/Charakterisierung, die verwaschenen Texturen, ein paar seltene KI-Aussetzer und die insgesamt etwas kurze Spieldauer, die mittlerweile leider zum Industrie-Standard gehört.
Insgesamt bleibt Brothers in Arms aber ein verdammt guter Taktik-Shooter, der das ausgelutschte Kriegs-Shooter-Genre mit neuen Impulsen versieht und das Spielgeschehen wesentlich anspruchsvoller gestaltet. Dafür gibts von mir ein
Sehr Gut.
Mein Tip: In der Videothek ausleihen und probespielen. WW2-Shooter-Fans können natürlich sofort und ohne Bedenken zugreifen.